7. Juni In den katholischen Kirchen wird heute das Evangelium aus Markus 3 gelesen. Da kommt die Familie Jesu vor: seine Mutter und seine Brüder. Für mich macht der Zusammenhang klar, dass es bei den Brüdern Jesu nicht um seine Jünger geht, sondern um seine leiblichen Brüder. Ich weiß schon, dass das Dogma der römisch katholischen Kirche lehrt, dass Maria außer Jesus kein Kind geboren hat und immerwährend Jungfrau geblieben ist. Wenn ich die Bibel lese ohne die Einschränkungen durch das Dogma der katholischen Kirche, dann erkenne ich, dass Maria mit Josef eine ganz normale Ehe geführt hat, auch mit geschlechtlicher Gemeinschaft. Damit ist für mich die Sexualität etwas Heiliges, und von Gott gewollt.
8. Juni In der Evangelischen Kirche wurde gestern das Evangelium aus Lukas 16 gelesen: Der reiche Mann und der arme Lazarus. Jesus erzählt vom Reichtum des einen und vom armen Lazarus vor seiner Tür. Im Jenseits sind die Verhältnisse umgekehrt. Lazarus wird getröstet, der Reiche wird in der Hölle gepeinigt. Es peinigen ihn aber nicht nur die Flammen, sondern auch die Sorge um seine Brüder, die er warnen lassen möchte, dass sie nicht auch in die Hölle kommen. Wir in den reichen europäischen Ländern sind Brüder dieses reichen Mannes. Wir haben viele Lazarusse vor unseren Türen. Wir nennen sie Asylanten. Lassen wir uns aufrütteln von dieser Geschichte, die Jesus erzählt.
9. Juni Ich sehe das Titelblatt einer evangelischen Kirchenzeitung. Die Schlagzeile: „Jahr der Bildung 2015“ Am Titelbild sieht man hohe Bücherstapel. Volle Bücherregale. Es wird wohl so sein, dass wir einen großen Teil unserer Bildung aus Büchern haben. Auch für die Bildung des christlichen Glaubens ist vor allem ein Buch unverzichtbar: Die Bibel. Andererseits lernen wir ganz wesentliche Dinge ohne Bücher: Z.B. die Muttersprache. Oder das Schwimmen. Ich denke, dass für unsere Bildung mindestens so wichtig wie die Bücher die Menschen sind, mit denen wir leben. Das gilt auch für den Glauben. Für die Glaubensbildung ist auch Gemeinschaft wichtig: mit Gläubigen, mit Zweiflern und mit Ungläubigen und die Gemeinschaft mit Gott selber.
10. Juni In der Zeitung habe ich gelesen von einem Pizzabäcker in Neapel. Es ist ihm gelungen, eine Pizza für den Papst zu backen und sie ihm persönlich zu überreichen. Der Pizzabäcker sagt, wie unbeschreiblich stolz ihn das gemacht hat. Welche große Freude das für ihn war. Vielleicht kannst Du diese Freude nachempfinden. Vielleicht denkst du dir: Diese Freude werde ich wohl nie erleben. Wann kann ich schon dem Papst gegenüberstehen und etwas für ihn tun? Nun fällt mir ein, dass ich ja für einen viel Höheren als den Papst etwas tun kann. Viel höher als der Papst ist Gott selber. Was kann ich für Gott tun? Von Martin Luther habe ich gelernt, dass man auch die Arbeit in Haushalt und Beruf im Bewusstsein tun kann, dass es für Gott ist. Gott möchte, dass diese Arbeit geschieht. Deshalb kann ich sie für Gott tun. Aber ich muss noch viel von dem Pizzabäcker aus Neapel lernen, dass ich meine Arbeit im Alltag mit so großer Freude mache wie er die Pizza für den Papst.
11. Juni Kann ein Hund eine Predigt halten? Neulich ist das passiert. Einmal in der Woche gehe ich mit einem Freund laufen. Immer dabei ist auch der Hund meines Freundes. Ich werfe dem Hund einen Tennisball hin. Der Hund schnappt sich die „Beute“. Wir laufen dann eine halbe Stunde gemeinsam. Eine halbe Stunde lang gibt der Hund den Ball nicht her. Wenn wir ein Wort Gottes, das wir am Morgen aufschnappen auch so lange kauen würden, dann würde es uns mehr prägen. Nehmen wir Worte Gottes wie eine Beute!
12. Juni Das finde ich bemerkenswert: dass in Rom ein Platz nach Martin Luther benannt wird. Ich weiß nicht, wie Sie zu Martin Luther stehen. Sehen Sie in ihm einen Feind der Kirche? Wollen Sie weiter in Luther einen Feind der Kirche sehen, wenn sogar in Rom mit dem Martin-Luther-Platz bezeugt wird, dass Luther für die gesamte Kirche wichtig ist? Ich sehe aber auch die Gefahr, dass man in Rom sagt: Jetzt haben wir Luther genug Ehre gegeben, dass wir den Platz nach ihm benannt haben. Da brauchen wir uns nicht auch noch mit seinen reformatorischen Gedanken auseinanderzusetzen. Diese Gefahr betrifft uns immer wieder. Zum Beispiel, wenn ich mir ein Kreuz ins Wohnzimmer hänge – Damit habe ich vielleicht das Gefühl, dass ich Jesus genug Ehre gegeben habe – da brauche ich mich nicht auch noch mit seiner Lehre befassen.
13. Juni Jesus sagt im Evangelium vom morgigen Sonntag (Mk 4): Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und Tag, der Samen keimt und wächst, und der Mann weiß nicht wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das wolle Korn in der Ähre. Dieses Gleichnis Jesu bedeutet eine große Entlastung für alle, die sich in der Kirche viel Mühe geben und sich Sorgen machen, wie es weitergeht. Sagt dieses Gleichnis doch, dass Gott selber die wesentlichen Dinge macht.
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